Antisemitismusbeauftragter Spaenle zu Instrumenten und Konzepten – Rechenschaftsbericht seiner Tätigkeit seit 2018 – Boykott von Konzert von Roger Waters als Zeichen gegen Antisemitismus
München. Unter dem Titel „Für eine Kultur des Hinschauens“ hat heute der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erben, Dr. Ludwig Spaenle, eine Bilanz über die vergangenen fünf Jahre seiner Tätigkeit vorgelegt Dabei richtete er den Blick vor allem nach vorn: „Der Kampf gegen Antisemitismus und die Förderungen jüdischen Lebens sind eine Langzeitaufgabe. Das lässt sich nicht in fünf Jahren verwirklichen“, so Dr. Spaenle.
Er ist überzeugt: „Staat und Gesellschaft sind in der Lage und verpflichtet, gegen Antisemitismus vorzugehen und jüdisches Leben zu fördern“. Dazu wurden in Bayern in den vergangenen fünf Jahren mehre Instrumenten und Handlungskonzepten entwickelt und erprobt:
- Die Funktion als Ombudsmann für die jüdische Community und als deren politische Anwalt gegen Politik und Gesellschaft ist notwendig.
- Auf der Grundlage der Antisemitismusdefinition der IHRA muss die gesellschaftliche und politische Widerstandskraft gegen Judenhass ausgebaut werden.
- Das Gesamtkonzept des Freistaats Bayern, der als erstes Bundesland , ein koordiniertes Vorgehen von Politik und Verwaltung initiiert hat, wird weiter umgesetzt.
- Ein umfassendes Wissen gegen Judenhass ist die Basis für eine erfolgreiche Präventionsarbeit und zur Förderung jüdischen Lebens.
- Die strategische Vernetzung aller Einrichtungen und Organisationen, die mit jüdischem Leben, Geschichte und Kultur zu tun haben, wird auf Dauer die Resilienz fördern, Kompetenzen bündeln und die Kräfte der Gesellschaft mit der jüdischen Community verbinden.
- Antisemitismus erfordert eine grenzübergreifende enge Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene.
- Die Aufnahme der Unterstützung jüdischen Leben und des Kampfes gegen Antisemitismus als Staatszielen in die Bayerische Verfassung bleibt ein wichtiges Ziel.
Ombudsmann für jüdische Gemeinschaft
In dem gut 50-seitigen Rechenschaftsbericht wird deutlich: Zentrale Aufgaben von Dr. Spaenle sind die des Ombudsmanns für jüdische Interessen und der Kampf gegen antisemitisches Gedankengut und antisemitisches Handeln. Als Ombudsmann vertritt Dr. Spaenle die Anliegen der jüdischen Gemeinschaft gegenüber staatlichen Stellen.
Knapp 20.000 Jüdinnen und Juden leben heute in Bayern. Für ihn ist klar: „Ich möchte Ansprechpartner für die jüdischen Gemeinden in Bayern, für die Menschen jüdischen Glaubens und ihre Organisationen sein.“ Deshalb besucht er beispielsweise einmal jährlich jede der Israelitischen Kultusgemeinden. Enge Kontakte bestehen zum Zentralrat der Juden in Deutschland, zum Landesverband der israelitischen Kultusgemeinden und der Israelitischen Kultusgemeinde in München und Oberbayern sowie jüdischen Organisationen und Verbänden. Die Beratung von jüdischen Gemeinden und Einrichtungen, aber auch von Einzelpersonen gehört zum Alltag seiner Tätigkeit. Als Ombudsmann hat Dr. Spaenle z. B. in der Frage des politischen Umgangs mit den Opfern bzw. den Familien der Opfer beim Attentat von 1972 auf die Israelische Nationalmannschaft durch palästinensische Terroristen gehandelt – mit Erfolg.
Sensibilität für antisemitisches Denken und Handeln fördern
Bei der Auseinandersetzung mit dem Antisemitismus setzt Ludwig Spaenle auf eine hohe Sensibilität der Menschen im Freistaat – auf eine „Kultur des Hinschauens“. Er votiert für ein „solidarisches Handeln“ mit Jüdinnen und Juden. Gerade im Jubiläumsjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, für das in Bayern Ministerpräsident Dr. Söder die Schirmherrschaft übernommen hatte, habe man hier wichtige Impulse gesetzt.
Im Festjahr hat es rund 1.000 Veranstaltungen innerhalb Bayerns gegeben und es konnten drei Leitprojekte angeschoben werden: die Digitalisierung von Akten der ehemaligen bayerischen jüdischen Gemeinden, die in den Central Archives for the History of the Jewish People in Jerusalem liegen; die Erfassung jüdischer Friedhöfe und das Online-Portal „Jüdisches Leben in Bayern“.
Es ist auf diese Weise gelungen, Wissen über das Judentum und den Alltag jüdischer Frauen und Männer zu vermitteln.
Mit Wissen gegen Judenhass
Eigens nannte er die Veröffentlichung „Wissen gegen Judenhass“ und eine gemeinsame Publikation des Beauftragten mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit. Bildungsveranstaltungen und Lehrerfortbildungen konnten etabliert werden. Die bundesweit neuartige Homepage „Bayern gegen Antisemitismus“ des Kultusministeriums ermögliche eine situationsbezogene Unterstützung für Schule und Unterricht. „Wissen gegen Judenhass“ gehöre zu den zentralen Anstrengungen gegen Antisemitismus und bilde ein Fundament in der Präventionsarbeit.
Angesichts der steigenden antisemisch motivierten Straftaten ist der wehrhafte Rechtsstaat für das demokratische Gemeindewesen unverzichtbar – 2021 waren es allein Bayern 510 Straftaten. Der leichte Rückgang der Straftaten auf Bundesebene in 2022 ändere an der Notwendigkeit nichts.
Das entschiedene Handeln von Polizei und Justizbehörden ist unerlässlich. Hier hat die Staatsregierung Experten für einzelne Bereiche wie die Justiz und die Polizei ernannt und so eine verbesserte Verfolgung antisemitischer Straftaten erzielt.
Politisches und gesellschaftliches Handeln
Beim Kampf gegen Antisemitismus, „dem Krebsgeschwür“ auch der bayerischen Gesellschaft, hat die Staatsregierung auf Initiative von Dr. Spaenle ein Gesamtkonzept gegen Antisemitismus entwickelt und verabschiedet. Auf dieser Basis wurde eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet.
Mit Hilfe der Definition „Antisemitismus“ der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) ist es gelungen, dass sich viele öffentliche Einrichtungen, zivilgesellschaftliche Organisationen, Verbände und Vereine klar gegen Antisemitismus bekennen. Diese Strategie fand Eingang in ein EU-Handbuch als best-practice Beispiel. Dieser Weg wird fortgesetzt.
Auf Bundesebene gibt es in der Bund-Länder-Kommission der Antisemitismusbeauftragten eine Vernetzung, die hier auch den Erfahrungsaustausch voranbringt und gemeinsame Initiativen ermöglicht.
Vernetzung der Handlungsfelder zielführend
In Bayern wurden mit Blick auf die Beauftragung die Förderung des jüdischen Lebens, der Kampf gegen Antisemitismus, die Erinnerungsarbeit und das geschichtliche Erbe verbunden. Dr. Spaenle: „Eine Förderung des jüdischen Lebens sowie der Kampf gegen Antisemitismus setzen auch auf eine zeitgemäße Erinnerungsarbeit und eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dem geschichtlichen Erbe.“
Mit dem Landesverein für Heimatpflege als Kooperationspartner wird eine langfristige Vernetzung auf Landesebene und in den Regionen dauerhaft umgesetzt.
Die enge Vernetzung der Themenfelder machte in den ersten fünf Jahren seiner Tätigkeit nicht zuletzt sein Engagement um einen sinnvollen Umgang mit Schmähplastiken an historischen Gebäuden wie der sog. „Judensau“ u. a. am Regensburger Dom sowie der Synagoga am und im Bamberger Dom bewusst. Hier setzte der Beauftragte im Dialog mit den beteiligten Organisationen und staatlichen Einrichtungen auf Dialog und Verständigung.
Die Vernetzung der Felder trägt durch eine vom Beauftragten initiierten regelmäßigen Treffen von jüdischen Gemeinden und Kultureinrichtungen auf Landeseben Früchte. Ein Miteinander im Handeln wird auch in der Zusammenarbeit mit Partnern wie der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, der Landesstelle für nichtstaatliche Museen, der Stiftung Wertebündnis, dem Bündnis für Toleranz, dem Bayerischen Landessportverband (BLSV) sowie der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit praktiziert.
Neue Brücken führen zu Sportverbänden und -vereinen sowie in die Wirtschaft, um wirksam gegen Antisemitismus angehen zu können.
Internationale Kooperationen
Die Arbeit des Beauftragten endet nicht an den bundesdeutschen Grenzen – hier spielt die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern Österreich, Tschechien, Polen und Frankreich ebenso eine Rolle wie das Engagement von Dr. Spaenle auf europäischer Ebene. Dr. Spaenle arbeitet eng mit der Antisemitismus-Koordinatorin der EU Katharina von Schnurbein zusammen, u. a. als Mitglied einer EU-High-Level-Group zur Antisemitismusbekämpfung.
Den Kontakten nach Israel kommt eine wichtige Bedeutung zu, der Jugendaustausch zwischen Bayern und Israel ist dabei ein zentrales Element.
Gerade die Zusammenarbeit mit Israel spielt eine wichtige Rolle. Hier gibt es enge Kontakte zum Generalkonsulat des Staates Israel in München und zu Stellen in Israel selbst. Zwischen und Bayern und Israel besteht ein Jugendaustausch mit den Schwerpunkten Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe.
Mit der zentralen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem eine Vereinbarung abzuschließen, hat Dr. Spaenle der Bayerischen Staatsregierung vorgeschlagen.
Arbeit muss fortgesetzt werden
„Die Arbeit, die wir begonnen haben, muss dringend fortgeführt werden. Der Antisemitismus erhebt immer wieder seine hässliche Fratze. Die Folgen sind Schmähungen und Straftaten. Der Antisemitismus hat seinen Weg wieder in die Mitte der Gesellschaft gefunden – hier sind Prävention und Bildung gefragt. Denn wir dürfen da nicht zu- und auch nicht wegschauen.“, so Dr. Spaenle.
Boykott von Konzert von Roger Waters als Zeichen
Dr. Spaenle wiederholte den Aufruf zum Boykott des Konzerts von Roger Waters. Ludwig Spaenle: „Waters ist ein exponierter Unterstützer der Israel-Boykott-Bewegung BDS. Für mich gilt: Die konkrete Politik der israelischen Regierung darf man in einer Demokratie kritisieren. Aber das Existenzrecht des Staates Israels ist nicht verhandelbar. Der Boykott seines Konzerts ist ein Zeichen gegen Antisemitismus“.